Hängetrauma  

Logo Unfallversicherung

 

aus „Arbeit und Gesundheit März 2006“ Die Zeitschrift der deutschen Unfallversicherung

 

Ein Mann rutscht bei der Störungsbeseitigung in einem Hochregallager ab und fällt scheinbar ungebremst in die Tiefe. Nur ein kurzes Stück, dann bleibt er in seinem Auffanggurt hängen. Nun muss der Mann schnellst möglich geborgen werden – sonst droht die nächste Gefahr:

Das Hängetrauma

Kaum zu glauben: das Hängen im Rettungsgurt kann tödlich enden. Obwohl die abgestürzte Person vor dem Absturz gerettet ist, schwebt sie immer noch in Lebensgefahr. Der französische Arzt und Höhlenforscher Maurice Amphoux gilt als Entdecker des so genannten Hängetraumas. Ungeklärte Todesfälle unter Höhlenforschern hatten ihn Ende der siebziger Jahre aufmerksam werden lassen. Ihm war aufgefallen, dass alle Fälle etwas gemeinsam hatten: Nach einem zunächst glimpflich und ohne Verletzungen verlaufenen Absturz hatten die Verunglückten längere Zeit be- wegungslos in einem Rettungsgurt gehangen. Als sie aus dieser Lage befreit wurden, waren sie bereits tot oder bewusstlos und starben kurz darauf an einem Kreislaufzusammenbruch.

 

 

Zunächst vermutete man, dass Unterkühlung, Unterzuckerung oder Erschöpfung die Todesursachen gewesen seien, was sich aber nicht bestätigte. Amphoux unternahm daraufhin Versuche, wobei Freiwillige einige Zeit in einem Auffanggurt hingen- zunächst unter sehr einfachen Bedingungen, später unter intensiver medizinischer Überwachung. Alle Versuche mussten abgebrochen werden, weil die Versuchspersonen jedes Mal das Bewusstsein verloren.

Was war geschehen?

Nach kurzer Zeit bewusstlos

Nach dem Absturz lastet das Eigengewicht auf den Gurten an den Beinen und am Gesäß. Die Riemen des Fanggurtes schnüren die Gefäße, Muskeln und Nervenleitungen so stark ab, dass es zur Fehlregulierung im Organismus kommt: Der Blutstrom zum Herzen wird behindert und weil der Widerstand unter den Füßen fehlt, kann die Muskelpumpe nicht wirksam werden. Somit versacken große Mengen Blut in den Venen der Beine und stehen dem Kreislauf nicht mehr zur Verfügung. Lebenswichtige Organe wie Gehirn, Herz und Lunge können nicht ausreichend versorgt werden.

Die Symptome des Hängetraumas sind vielfältig: unregelmäßiger, schneller Herzschlag, Muskelkrämpfe, verschwommenes Sehen, Schwindel, Ohrensausen, Übelkeit, Schwitzen, Blässe der Haut, Gefühlsstörungen in den Beinen, Atemnot. Der Übergang von den ersten Symptomen bis zum Kreislaufzusammenbruch

kann unter Umständen sehr schnell verlaufen und lässt nur wenig Zeit zum Handeln.

Die Versuche von Amphoux haben gezeigt, dass schon nach zwei bis zwölf Minuten Herz- rhythmusstörungen auftreten, die zur Bewusstlosigkeit führen- zu kurz, um auf ein professionelles Höhenrettungsteam zu warten.

Klar ist nach den Versuchen: Der Verunglückte muss so schnell wie möglich aus dem Gurt befreit werden. Deshalb sind meist nur Kollegen vor Ort im Ernstfall schnell genug, um den Verun- glückten, der im Auffanggurt hängt, zu retten. Aber dazu müssen sie wissen, wie das geht: Regelmäßige Rettungsübungen und umfassende Schulungen können also Leben retten.
rettungsübung

Vorsicht vor Komplikationen

Auch nach der Rettung aus der hängenden Lage droht noch Lebensgefahr. Bei Flachlagerung des Betroffenen strömt eine große Blutmenge aus den Beinen zum Herzen zurück, das damit überfordert wird. Stattdessen sollte der Verletzte in eine Oberkörperhochlage beziehungsweise für ca.20 bis 30 Minuten in eine Kauerstellung gebracht werden - mit nur einer Ausnahme: Wenn der Betroffene wiederbelebt werden muss. Auf jeden Fall muss der Verletzte für eine stationäre Beobachtung ins Krankenhaus gebracht werden, denn es droht noch bis zu 48 Stunden nach dem Unfall ein Nierenversagen. Das ist statistisch die häufigste Todesursache nach Rettung aus längerem, freiem Hängen.

info

Erste Hilfe bei Hängetrauma

Unter Hängetrauma versteht man einen Kreislaufzusammenbruch aufgrund des freien, bewegungslosen und aufrechten Hängens in einem Auffanggurt beziehungsweise Sicherheitsgeschirr

  

 

 * Die abgestürzte Person in einem Auffanggurt ist       ein Notfallpatient (Notarzt, Rettungswagen rufen!!)

           *Die Mitarbeiter sollten geschult werden während des Hängens nach Möglichkeit die Beine zu bewegen.

     * Das Hängen sollte so schnell wie möglich, das heißt sofort, beendet werden.

       * Den Verletzten nach dem Unfall für ca. 20 bis 30 Minuten in Oberkörperhochlage oder Kauerstellung halten.

       * Der Betroffene muss ins Krankenhaus eingewiesen werden.